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Flint House Lizard
Ani Schulze
03.07.2020 bis 31.07.2020

Eröffnung

Freitag, 03.07.2020 - 14:00 uhr

Öffnungszeiten

Dienstag - Sonntag
14:00 - 19:00 Uhr
 

Ort

basis e.V. Gutleutstraße 8-12 60329 Frankfurt am Main

Unter dem Titel Flint House Lizard versammelt Ani Schulze den gleichnamigen Film sowie installative Stoffarbeiten und Zeichnungen in einer Ausstellung bei basis. Sie bilden eine fragmentarische Erzählung, bei der die Auswirkungen der Sonne auf unser menschliches Verhalten als Ausgangspunkt dienen.

Die filmische Arbeit Flint House Lizard kreiert einen surrealen Mikrokosmos, in dem sich Körper, Natur und Technik gegenseitig durchdringen und beeinflussen. Schulze referiert hier auf eine Theorie des russischen Wissenschaftlers und Kosmisten Alexander Chizhevsky (1897–1964), die besagt, dass soziale Entwicklungen und Massenbewegungen mit periodischen Sonnenzyklen zusammenhängen und von diesen beeinflusst werden. Im Film finden wir uns in einer vermeintlich natürlichen Landschaft mit wurmartigen Gestalten und menschlichen Wesen wieder, die jenen Zyklen zu folgen scheinen. Vom Erwachen über das kollektive Erstarken bis hin zur anschließenden Apathie und Vereinzelung verbleiben die Figuren in einer Art Trancezustand. Nicht alles in ihrer Umgebung ist natürlichen Ursprungs , was nicht zuletzt die immer wiederkehrenden Aufnahmen der Solarkraftanlagen bezeugen. Fortschritt und Technik haben Einzug gehalten in diese fiktionale Welt, deren Dynamik sich angelehnt an den Rhythmus des Sonnenauf- und untergangs über den Film hinweg entfaltet. Die Ereignisse bleiben bewusst im Unklaren, eine lineare Handlung ist nicht erkennbar. Der Film ist vielmehr durch seinen Spannungsaufbau und der immerwährenden Durchbrechung eines einheitlichen Settings oder einer logischen Narration geprägt sowie durch einen Wechsel der filmischen Techniken und intensive Soundkompositionen. Durch die Nahaufnahmen bekommen die Oberflächen eine eigene Lebendigkeit und verweisen auch hier auf natürliche, künstliche, aber auch amorphe Texturen. Weiterhin nutzt die Künstlerin Animationen und eine Software zum Generieren von Massenbewegungen, die den Film um eine zusätzliche technisierte Ebene erweitern. Die entrückte Welt des Films bleibt bis zum Ende nicht greifbar, und doch zieht sich die Eidechse als konstantes Sinnbild der Erneuerung und Wiedergeburt durch den Film, der selbst einem geschlossenen Kreislauf zu folgen scheint.

Einzelne Formen und Elemente aus der filmischen Arbeit finden sich ebenso in den Zeichnungen der Künstlerin wieder. Unter dem Titel Durst lassen sich wurmartige, amorphe Wesen erkennen, die in unterschiedlichen Gruppierungen auftauchen und doch einsam erscheinen. Der Titel beschreibt dabei ein natürliches und existenzielles Bedürfnis, das sowohl als treibende Kraft als auch als verbindendes Grundbedürfnis verstanden werden kann. Mit ihrer starken Direktheit und Farbigkeit erzählen die Arbeiten von permanenter Suche, Verirrungen, Ekstase und dem Verlust von Kontrolle.

Die Textil-Arbeiten der Künstlerin nehmen Bezug auf die Gewänder im Film. Wie der Werktitel Montur vermuten lässt, verweisen diese Roben nicht nur auf eine körperliche Umhüllung, sondern ebenso auf einen Schutz nach außen. Gleichzeitig lassen sie sich mit einer Uniform oder einem rituellen Gewand assoziieren. Die Textil-Arbeiten sind collagenartig bedruckt, unter anderem mit Abbildungen frühzeitlicher Sonnenstelen und -amuletten. Auch die Eidechse erscheint auf den textilen Oberflächen als wiederkehrendes Motiv, ebenso wie der Screenshot einer App, die die Melatonin-Produktion steigern soll.

Auf verschiedenen Ebenen taucht Ani Schulze ein in die Bedeutung der Sonnenzyklen und die Frage, wie sich diese auf mythologischer, technischer und wissenschaftlicher Ebene fassen lässt. Dabei gibt es keine eindeutige Antwort. Vielmehr erweisen sich die einzelnen Arbeiten in ihrer Zusammenstellung als fragmentarische Verweise auf einen Prozess von Kontrolle und Gegensätzen sowie auf das permanente Verhandeln mit sich selbst und anderen. Die Werke erzählen weiterhin von einer unbestimmten Kraft und setzen damit körperliche Ermächtigung und kollektives Handeln in einen komplexen Bezugsrahmen. Beides verbleibt dabei in einem Schwebezustand zwischen kosmologischer Aufladung und technisierter Steuerung.

 

kuratiert von Christin Müller

 

Mit freundlicher Unterstützung von:

Der Film wurde gefördert von:

 

Film Credits:
A film by Ani Schulze
Dauer: 15 Min
Performer: Manuel Granja, Vera Mota, Anja Müller, Bernardo Rodrigues
Voice: Clare Molloy
Cinematography / CGI: Nicolas C. Geissler
Montage: Ani Schulze
Producer / Postproduction: Patrick Alan Banfield
Sound and Music: Filip Caranica / Contemporary Sound

Gefördert durch die Innogy Stiftung, Essen im Rahmen des VISIT Stipendiums. Teile der Erzählung wurden gefilmt in Andasol in Andalusien (eines der größten Solarkraftwerke der Welt), in der prähistorischen und Archäologisches Museum Kantabrien in Santander, in einem Privatgarten in Porto und in Soajo im Norden von Portugal.

 

Ani Schulze (*1982) studierte an der Städelschule in Frankfurt am Main, an der Glasgow School of Arts sowie an den Kunstakademien Düsseldorf und Karlsruhe. Ihre Arbeiten waren bereits in einer Reihe von Einzel- und Gruppenausstellungen, Screenings und Talks, unter anderem im Salzburger und im Kölnischen Kunstverein, im I: Project Space in Beijing, in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt, in der Galerie Nagel Draxler/ Reisebürogalerie in Köln, auf dem Kurzfilmfestival Oberhausen sowie in der Extra City Kunsthal in Antwerpen zu sehen.

Ani Schulze erhielt Stipendien und Residenzaufenthalte vom Goethe-Institut China, Schloss Ringenberg, Kunststiftung NRW, AIR Antwerpen, Innogy Stiftung, Kulturamt Frankfurt und CEAAC in Straßburg. Ab September 2020 wird sie für 6 Monate einen Residenzaufenthalt in der Cité Internationale des Arts in Paris antreten.