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basis e.V. Gutleutstraße 8-12 60329 Frankfurt am Main
Der Theater-, Film- und Fernsehregisseur Peter Zadek (1926 – 2009) hätte im letzten Jahr seinen neunzigsten Geburtstag gefeiert. Wir ehren den Regisseur mit einer ersten Retrospektive seiner deutschen Film- und Fernsehproduktionen.
Peter Zadek stammte aus einer jüdischen Familie, mit der er 1933 nach England ins Exil ging. Dort begann er Mitte der 1940er Jahre seine künstlerische Tätigkeit. Doch bevor sein Engagement am Theater vom Hobby zum Beruf wurde, arbeitete Zadek beim Film. Mehrere Sprachen beherrschend, fertigte er Untertitel für ausländische Filme an und erlangte Kenntnisse des Filmschnitts, die er bei fremden Dokumentarfilm-Produktionen einsetzte. 1953 debütierte er mit einem Kurzfilm Simon im Kino, für die BBC-Reihe Armchair Theatre drehte er sein erstes und heute verschollenes Fernsehspiel Der Pier. 1958 kehrte Zadek nach Deutschland zurück und erlangte schnell mit seinen provokanten Bearbeitungen klassischer Stücke Bekanntheit am Theater. Von 1960 an wurde er von verschiedenen Fernsehsendern engagiert. Provokation und Experiment stehen in seinem Gesamtwerk Seite an Seite, ungeachtet empörter Kritiker oder verwirrter Zuschauer suchte er stets nach unbequemen Blickwinkeln auf die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte und nach neuen formalen Wagnissen. 1971 klassifizierte Hans C. Blumenberg in der Zeit Zadeks „inszenatorische Parforcetour“ in Der Pott als „peinlich“, doch gerade deshalb wäre ihm sein „Größenwahn immer noch lieber als die tödliche Routine der meisten deutschen Fernsehspiele.“ Sein filmisches OEuvre reicht von experimentierfreudigen Fernseh-Adaptionen von Theaterinszenierungen, Fernsehkrimis, schrillen Fernsehsatiren bis hin zu sozialkritischen Spielfilmen. Besonders in den turbulenten späten 1960er und frühen 1970er Jahren war Zadek an kein festes Engagement im Theater gebunden und lotete in seinen Fernsehspielen Verfremdungstechniken von TV-Ästhetik aus – ein exzeptioneller Meilenstein in der Fernsehgeschichte. Kaum eroberte Zadek ein Terrain, suchte er sich ein neues Spiel – ein Werk gleich einer Achterbahn aus glanzvollen Erfolgen und nicht minder schillernden Niederlagen. Allen gemeinsam ist sein vom dunklen Humor durchtränkter Blick auf die Themen der Zeit.
Die Reihe wurde zusammengestellt von Svetlana Svyatskaya.
Mit großem Dank an Andreas Beilharz,
Christian Appelt, Christin Müller, Natascha Gikas, Winfried Günther.
Für die Ausleihe der Kopien danken wir kinoptikum filmarchiv, Bavaria Media GmbH und dem WDR.
Einzelkarte pro Film: 5 €
Dauerkarte (Fr-So): 30 € (gilt nur für basis e.V.)
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Filmprogramm bei basis e.V.:
FREITAG, 5.5.2017
19:00 UHR – DIE KURVE
BRD 1961. D: Klaus Kinski, Gernot Duda, Helmut Qualtinger. 59 Min. digital.
Zwei Brüder leben an einer steilen Straßenkurve, die ständig für Unfälle sorgt und so ihren Unterhalt sichert: Rudolf
repariert verunglückte Fahrzeige, Anton schreibt Leichenreden. Eines Tages kommt jedoch ein Regierungsbeamter,
der den Ausbau der gefährlichen Bergstraße anstrebt. Erstmals ausgestrahlt wurde das Fernsehspiel nach dem
gleichnamigen Stück von Tankred Dorst im WDR-Abendprogramm Das gefiel uns damals.
20:30 UHR –VAN DER VALK UND DAS MÄDCHEN
BRD 1972. D: Jurai Kukura, Boy Gobert, Peter Kern, Nora Barner. 104 Min. digital.
Der niederländische Kriminalkommissar Piet Van der Valk ermittelt den gewaltsamen Tod eines Schmugglers. Dabei
stößt er nicht nur auf unliebsame Spuren im eigenen Freundeskreis, sondern begegnet erneut einem Mädchen, das er
ein Jahr zuvor kennenlernte und seitdem nicht vergaß. Der Film basiert auf Nicholas Freelings Roman Guns for Butter
aus der Kriminalromanreihe über den gleichnamigen Kommissar.
22:30 – ÜBERRASCHUNGSFILM
SAMSTAG, 6.5.2017
19:30 UHR – ROTMORD
BRD 1967. D: Gerd Baltus, Helmuth Hinzelmann, Werner Dahms, Siegfried Wischnewski. 86 Min. digital.
Basierend auf dem Theaterstück Toller von Tankred Dorst aktualisiert Zadek die Geschichte der Münchner Räterepublik
mit Ernst Toller in deren Zentrum – einem Dichter, der, in die Politik gedrängt, zwangsläufig scheitern muss. Der Film
ist eine experimentelle Collage aus inszenierten und verfremdeten Szenen, Fotos, Interviews mit Personen, die Toller
kannten, Zwischentiteln und comichaften Texteinblendungen.
21:30 UHR – DER POTT
BRD 1971. D: Curt Bois, Hans Mahnke, Rosel Zech, Günter Lamprecht. 90 Min. digital.
Eine irische Fußballmannschaft zieht nach dem Pokalgewinn in den ersten Weltkrieg. Der bunten Fernsehfassung der
Antikriegssatire in der Bearbeitung von Tankred Dorst nach Seán O’Caseys The Silver Tassie ging Zadeks umstrittene
Inszenierung am Wuppertaler Theater voraus. Zusammen mit dem Comic-Zeichner Gay Peellaert verlieh Zadek dem
Film die an die Pop-Art angelehnte schrille Optik.
SONNTAG, 7.5.2017
14:00 UHR – KIRSCHGARTEN
BRD 1966. D: Marlen Diekhoff, Klaus Höhne, Illona Grübel. 111 Min. digital.
Im Fernsehen widmet sich Zadek erstmals einem Stoff von Anton Tschechow. Unzufrieden mit den vorliegenden
deutschsprachigen Übersetzungen, welche das Werk in ernsthaft-tragischem Licht erscheinen lassen und die
komische Note nicht transportieren, lässt er für seine Bearbeitung eine neue Übersetzung anfertigen. Hier beginnt
Zadek mit seinen Experimenten mit der TV-Ästhetik.
16:30 UHR – PIGGIES
BRD 1969/70. D: Dany Mann, Michael König, Dinah Hinz. 104 Min. digital.
Zadek und Tankred Dorst entwickelten gemeinsam das Drehbuch, welches auf ihren Beobachtungen der linken
deutschen Kulturszene basierte. Ihre Darstellung verweben sie mit einem Gerücht über den Regisseur Bernhard
Wicki, der angeblich aufgrund einer Krebserkrankung nicht mehr versichert werde und so keine Filme mehr drehen
dürfe. Einige der vorgeführten Prominenten spielen sich selbst – so Dorst oder die Standfotografin Roswitha Hecke,
andere werden von Schauspielern verkörpert – Robert Muller spielt den Regisseur Wolfgang Ebert, andere treten als
Schauspieler auf, darunter der Lyriker Erich Fried und der Theater heute-Redakteur Henning Rischbieter.
19:00 UHR – DIE GEISEL
BRD 1977. D: Heinrich Giskes, Karl-Heinz Vosgerau, Rosel Zech, Hannelore Hoger. 202 Min. digital.
In der Fernsehinszenierung kulminiert die seit 1961 andauernde Beschäftigung Zadeks mit dem gleichnamigen Stück von
Brendan Behan, das er bereits viermal auf der Bühne umsetzte. In Dublin der 1950er Jahre betreiben eine Prostituierte und ein
Ex-Revolutionär ein Bordell. Die Kämpfer der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) bringen dort einen jungen englischen Soldaten
unter, der gegen einen zum Tode verurteilten IRA-Kämpfer eingetauscht werden soll. Wir zeigen die ungekürzte Fassung.