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on display: Aleksandra Bielas & Daniela Kneip Velescu
Aleksandra Bielas, Daniela Kneip Velescu
11.05.2014 bis 01.06.2014

Eröffnung

Samstag, 10.05.2014 - 19:00 uhr

Öffnungszeiten

Dienstag - Freitag
11:00 - 19:00 Uhr

Samstag, Sonntag
12:00 - 18:00 Uhr

Ort

basis e.V. Gutleutstraße 8-12 60329 Frankfurt am Main

on display ist ein speziell für den basis Leseraum konzipiertes Ausstellungsformat. In einem regelmäßigen, monatlichen Rhythmus werden junge Künstler/innen eingeladen, parallel zum Ausstellungsprogramm aktuelle Videoarbeiten zu präsentieren. Die Einzelpräsentation innerhalb des Leseraums lädt dazu ein, sich intensiv der ausgestellten Arbeit zu widmen und über einen längeren Zeitraum hinweg ein breites Spektrum an unterschiedlichen jungen Positionen aus dem Bereich des Bewegtbildes kennenzulernen.

Wir freuen uns vom 11. Mai bis 1. Juni 2014 die Videoarbeit MMJN (Futur Perfekt – Vollendete Zukunft), 2013 von Aleksandra Bielas & Daniela Kneip Velescu zu präsentieren. Die Eröffnung findet am 10. Mai, zeitgleich zur Nacht der Museen, von 19.00 Uhr - 2.00 Uhr statt.
 

Wer sitzt da eigentlich, wenn man die Räume eines Museums, einer Kunstinstitution betritt? In ihrer nahezu simultanen Performance thematisieren Aleksandra Bielas & Daniela Kneip Velescu in ihrer Videoarbeit MMJN (Futur Perfekt – Vollendete Zukunft) die immergleichen Arbeitsabläufe, stetigen Wiederholungen und Muster, die mit der Tätigkeit am Empfang einer Kunstinstitution verbunden sind. Die Choreographie von MMJN (Futur Perfekt – Vollendete Zukunft), das rhythmische Wechselspiel zwischen dem gleichzeitigen Antworten und den darauf folgenden Pausen, dem Zurückkehren zur eigenen Arbeit, ist durch die Erfahrungen und Erlebnisse der Darstellerinnen bestimmt. In dem vorab nicht einstudierten und humoristisch überspitzten Antwortspiel untersuchen die Künstlerinnen die Rolle, die ihnen durch den Job am Empfang als Repräsentantinnen einer Institution gegeben wird. Gleichzeitig wird durch die künstlerische Umsetzung und ständige Wiederholung in Form des Loops auf ihre eigentliche Rolle als Künstlerinnen, die durch die Kassensituation vergessen scheint, verwiesen.

Aleksandra Bielas (* 1980 in Tychy, Polen) lebt in Berlin.
Daniela Kneip Velescu (* 1982 in Bukarest, Rumänien) lebt in Frankfurt am Main.

 
Aleksandra Bielas und Daniela Kneip Velescu
MMJN (Futur Perfekt – Vollendete Zukunft), 2013

von Kerstin Cmelka

Zwei wie für eine pantomimische Darbietung gekleidete Frauen betreten ein Environment, das sich auf den nächsten Blick als die Kasse oder als der Empfang einer Ausstellungshalle darstellt (weiße Wände sind mit Spots beleuchtet, ein Ausstellungsbuch wie auch mehrere Papierstapel mit Texten bedruckt liegen bereit auf einem Empfangstresen, die Worte „Ausstellung“, „Garderobe“, „Toiletten“ sind als Klebeschriften angebracht und weiter hinten im Bildraum sieht man auch noch kleinere Textzeilen, die wie Informationen über Eintrittspreise aussehen – all dies in dem hellen Guckkasten einer institutionellen, modernistischen Eingangssituation).
Nun beginnen die Frauen gleichzeitig uns etwas zu erklären und zu gestikulieren, halten dann wieder (fast) synchron inne, scheinbar, um sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zu widmen, die wir jedoch nicht wirklich sehen oder gar einschätzen könnten, da die beiden dazu die Köpfe senken und in ihrem Guckkasten, also dem Empfangstresen, fast zur Gänze verschwinden.
Dies passiert in einer fortlaufenden Abfolge von: Reden, die Unsichtbare-Tätigkeit-Tun, Wasser Trinken und – auch synchron – Telefonieren. An das abrupt auftretende, fast gleichzeitige Sprechen und die Rohrschachtest-artigen Handlungen gewöhnt man sich immer mehr, so als wäre man, der Betrachter oder vielmehr Besucher dieser Situation, betrunken oder sonst wie beeinträchtigt, auf Droge oder einfach nur sehr müde und versuchte das zu verbergen – solange, bis man dann wirklich etwas von dem, was die beide Frauen einem sagen, verstehen kann. Aber, das sehen Sie und hören Sie ja gerade alles selbst.
Was man zwar sehen und wissen kann, aber nicht unbedingt wissen muss, ist, dass beide Frauen, die Autorinnen dieser Videoarbeit, Aleksandra Bielas und Daniela Kneip Velescu (sie auch immer noch), jahrelang diese Arbeit  – als Empfangsdame, Kassiererin, RezeptionistIn, Hostess – in eben genau dieser Institution auch wirklich erledigt haben. Das für uns aufgeführte, gestische Ballett der beiden filtrierten sie aus ihren Antworten und dazugehörigen Gestenabfolgen auf die dort am meisten gestellten (um nicht zu sagen: auf die blödesten) Fragen wie: Wo ist das MMK? (Quasi gegenüber.) Was läuft hier für eine Ausstellung? (Wo man ja eigentlich eh schon drin steht.) Wo finde ich Informationen darüber? (Vor Ihrer Nase.) Wo ist der nächste EC-Automat, die Toilette? Und so weiter und so fort.
In der Choreographie des Videos wechseln die beiden Protagonistinnen nun zwischen der Darstellung der eigenen und der fremd bestimmten Arbeit hin und her, zwischen einem Standby- und einem On-Mode, zwischen zwei Aufmerksamkeitsspannen von unterschiedlicher Qualität, einem privaten Interesse (oder zumindest einem, das die Öffentlichkeit abschirmt) und einem professionellen (und gespielten, sichtlich eintrainierten), das vor uns, den Abnehmern ihres langweiligen Brotjobs, nun aufgeführt wird. „Ich verbinde“, womit beide das kurze Telefonat zeitgleich und überzeugend beenden, reanimiert präzise und in geradezu übertriebener Art und Weise das stereotype Abbild der Telefonistin aus einem Spielfilm der 1950er Jahre (und zwar anders als Remakes wie „Mad Man“ von 2007 es tun). Auf aber ebenso Slapstick-artige Weise rücken die Figuren die für sie ungünstigen Bedingungen in den Vordergrund ihrer Performance, in dem sie uns etwas zeigen, was wir möglicherweise gar nicht sehen wollen, weil es vielleicht für uns zu wenig künstlich für Kunst ist. Sie stellen das Hyper-Banale ihrer miserablen Lebenssituation als „Künstlerin“ (in der sie sich gezwungen sehen, anstatt ihrer Kunst eine andere Tätigkeit auszuüben) aggressiv aus und verwehren uns, begriffsstutzigen Kulturkonsumenten, wie zur Strafe, weil wir irgendwie mit Schuld an dieser ganzen Situation sind, den Blick auf das wirklich oder zumindest vermeintlich Interessante, auf das jedenfalls, was sie eigentlich und daher nur für sich tun.

Kunst und Karriere oder Karriere-Machen-Wollen hängen eng zusammen. Seit den 1960er Jahren an einen regen Austausch von Werkzeugen zwischen den Bereichen des Lebens und der Kunst gewöhnt und durch die 1990er Jahre mit den vielen Vermengungen und Überschneidungen sozialer Probleme und kommunikativer Schwierigkeiten des Privaten und des Öffentlichen, vor allem des Marktes und der Institution vertraut, kennt der aufmerksame Kunstbetrachter u.a.: Kontemplatives Rund-um-die-Uhr-Verweilen – auch von Obdachlosen – in Ausstellungshallen (1), Galerieassistentinnen, die beim Verlassen der Ausstellung vor einem in Ohnmacht fallen und den Pressetext wie im Fieberwahn vor sich herstammeln (2), Angestellte (oder Schauspieler, die angestellt sind, Angestellte zu spielen), die sich hoch konzentriert schier undurchschaubaren Produktionsprozessen widmen (3) etc. All dies betraf aber oft das Leben oder das angenommene, um nicht zu sagen „geliehene“ Leben anderer, gerne sozial schwächer gestellter Mitmenschen. Bei Bielas/Kneip Velescu wird die eigene ökonomische Realität inszeniert, indem sie die Einzelbestandteile ihres Jobs erst analysieren und de-konstruieren, dann aber wieder zusammen collagieren und ihre Arbeit dabei elegant einer empathischen Hybrid-Variante von Verfremdungsprozess und Illusionstheater gleichermaßen unterziehen. Weil eben das Alltägliche oft wie etwas Abstraktes daher kommt. Wir, die Besucher dieser Darbietung werden dabei gerade mal als Störenfriede gebilligt.

Es gibt noch eine ältere Version dieses Videos – MMJN (endlose sehnsucht, ewige wiederkehr), 2011 – die technisch ein wenig einfacher, performativ aber noch synchroner ist (Wahrscheinlich, weil die beiden Darstellerinnen damals noch die Tätigkeit auch im wirklichen Leben tagein tagaus absolvierten.) und es gibt auch das Vorhaben der beiden Künstlerinnen, diese Performance für Kamera (so nenne ich das jetzt einmal) in weiteren zeitlichen Abschnitten von zwei Jahren (egal, was die beiden dann zu diesem Zeitpunkt im wirklichen Leben auch machen werden) immer wieder aufzuführen und auch per Video aufzuzeichnen – gleichsam einer Turnübung, von der man sich im fortschreitenden Alter immer wieder einmal überzeugen möchte, ob sie einem auch noch gelingt, oder wie weit man sich möglicherweise doch schon von seinem einstigen Ideal wegbewegt hat.

¹ Rirkrit Tiravanija, „Untitled (Tomorrow is Another Day)“, Kölnischer Kunstverein, 1996
² Tino Sehgal „This exhibition“, 2004 in „Funky Lessons“; Bawag Foundation, Wien und Büro Friedrich, Berlin
³ Jason Rhoades, „Costner Complex (Perfect Process)“, Portikus, Frankfurt am Main, 2001

Download Text zu MMJN (Futur Perfekt – Vollendete Zukunft) von Kerstin Cmelka

diese veranstaltung auf facebook.

on display wird kuratiert von gislind köhler.

Mit freundlicher Unterstützung von: