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Christi`s Antipasti
Carmen Gheorghe
11.12.2009 bis 24.01.2010

Eröffnung

Donnerstag, 10.12.2009 - 19:00 uhr

Öffnungszeiten

Dienstag - Freitag
11:00 - 19:00 Uhr

Samstag, Sonntag
12:00 - 18:00 Uhr

Ort

basis e.V. Gutleutstraße 8-12 60329 Frankfurt am Main

Carmen Gheorghe konzipiert speziell für den Ausstellungsraum von basis einen Werkkomplex, der aus vier neuen Einzelarbeiten besteht. Im Vordergrund steht das Anliegen, visuelle und ideelle Aspekte unterschiedlicher bildnerischer Strategien auszuloten. Dabei interessiert Gheorghe insbesondere das intermediale Zusammenspiel vielschichtiger Gestaltungsebenen. Ihre Installationen beschäftigen sich daher mit experimentellen Techniken der Skulptur und des Designs ebenso wie mit Malerei. In der Gesamtinstallation der Ausstellung führt dies zu komplexen Verbindungen. Dabei rekurriert Gheorghe auf unterschiedlichste Vorbilder der Kunst- und Designgeschichte sowie auf Impulse der Populärkultur.

Aus den Spannungen zwischen Konzeption und Materialität, Kunst und Design schafft Gheorghe ein weitgespanntes Netz von Bedeutungsebenen. Die vielgestaltigen Referenzen dienen ihr als Ausgangspunkt ihrer eigenständigen Arbeit. Gerade die vielschichtigen Umdeutungen und der damit einhergehende prozessuale Charakter zeichnen zugleich ihre Arbeitsweise aus.
Die collageartige Wandmalerei trägt den Titel ‚Am Anfang schuf Gott erst mal gar nichts. „Dafür ist auch morgen noch Zeit“, sprach er und strich sich zufrieden über den Bart.
Am zweiten Tag sprach Gott: „Ach, es sind noch fünf Tage übrig“, und sank wieder in die Kissen.
Am dritten Tag wollte Gott schon anfangen, das Licht von der Finsternis zu scheiden, aber kaum hatte er sich auch nur einen Kaffee gekocht, war der Tag irgendwie schon vorbei.
Am vierten Tag dachte Gott ernsthaft darüber nach, jemand anderen die ganze mühsame Schöpfungsarbeit machen zu lassen. Aber es war ja noch niemand da.
Am fünften Tag hatte Gott andere Dinge zu erledigen, die viel dringender waren.
Am sechsten Tag überlegte Gott, ob es wohl möglich wäre, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Es fiel ihm aber nichts Rechtes ein. Schließlich war er allmächtig, was die meisten Ausreden ein bisschen unglaubhaft wirken lässt.
Am Sonntag um fünf vor zwölf schluderte Gott hastig irgendwas hin: Wasser, Erde, Tag, Nacht, Tiere, Zeugs. Dann aber betrachtete er sein Werk und sah, dass es so lala war.
„Aber für nur fünf Minuten“, sagte er, „gar nicht mal so schlecht“.‘, 2009.
Carmen Gheorghe setzt graphische Formen und gefundene Materialien in Beziehung zueinander. Dem Betrachter gibt die Komposition die Möglichkeit, ästhetisch und zugleich assoziativ mit Malerei umzugehen. Die eingebundenen Fotografien erzählen auf einer ersten Ebene von ganz unterschiedlichen Provisorien. Sieht man die Bilder in einem weiter gefassten Kontext, werden die Perspektive des Betrachters und dessen Urteil über die vermeintliche Ineffizienz der dargestellten Situationen selbst in Frage gestellt. So treten die Kriterien der Beurteilung und die zugrunde liegenden Normen als immer neu auszuhandelnde Faktoren hervor. In dynamischer Weise mit den graphischen Elementen verbunden, entwickeln die Bilder eine
Aussagekraft, die dazu auffordert, gesellschaftliche Normen in Frage zu stellen.

Innerhalb der Arbeit Negligés, 2009 setzt Gheorghe den streng maßgeregelten Formen minimalistischen Designs organische Formfindungen entgegen. Anstatt glatte Oberflächen zu erzeugen, wie die Simplizität der Grundform erwarten ließe, setzt Gheorghe das povere Material der Wellpappe ein. Als Ausgangsmaterial zeichnet sich die Wellpappe selbst als Träger von Ambivalenzen aus: Sie scheint gleichzeitig durchlässig und massiv, ist industriell gefertigt und weist dennoch kleinste Unregelmäßigkeiten auf. Während die einzelne Welle instabil ist, bewirkt die Mehrfachschichtung höchste Stabilität. Gheorghe betont die Eigentümlichkeit des Materials und seine organische Formbarkeit, indem sie die strenge Form durchbricht und manipuliert. Die Serialität der Arbeit verstärkt diesen Eindruck noch. Einerseits stringent auf den minimalistischen Formenkanon verweisend, steigert die Wiederholung des handwerklichen Eingriffs andererseits die Einzigartigkeit und Nichtneutralität der künstlerischen Form. Gheorghe fragt mit ihrer Arbeit nach der Bedeutung, die minimalistische Ästhetik und ihr Postulat der rein visuellen Kunst heute einnehmen kann.

Die Arbeit Bird Protection, 2009 zielt auf die direkte Erfahrungsebene des Betrachters. Hochwertige, handgefertigte Glaskugeln balancieren auf einem Holzbrett. Sie sind günstigen Flummis nachempfunden, wie sie jeder als Spielzeug kennt. Wie die Flummis sprechen auch die Glaskugeln den Betrachter auf ästhetischer wie haptischer Ebene an. Deren auratische Funktion als Kunstwerk scheint der praktischen Verwendbarkeit im Spiel entgegenzustehen. Gleichzeitig scheinen sie als Kunsthandwerk über ihre sichtbare Oberfläche hinaus Farbigkeiten in sich zu bannen, die für den Betrachter nur imaginativ wahrzunehmen sind. Über Suggestion und Assoziation verweist Gheorghe auf die vielschichtigen Wahrnehmungsmöglichkeiten von Objekten. In der Verbindung von Alltags- und Luxusgegenstand stellt sich die Frage nach dem Wert des Objektes neu.

Die porträtierende Arbeit ‚Mir geht es fein und die Mädchen in Deutschland sind alle sehr schön (Buddies)‘, 2009 umfasst zwei Fotografien und führt Gheorghes Serie der Buddies fort. Buddies sind gefundene Objekte, die sie stets als Ensemble gruppiert. In der gewählten Zusammenstellung und der daraus resultierenden spielerischen Symbolhaftigkeit regen die Objekte zu narrativen Assoziationen an. Als Objekte stehen sie so einerseits für sich und verkörpern andererseits die sozial konstituierte Beziehung zum Objekt.

Carmen Gheorghe konzentriert sich erfahrungstheoretisch auf die mentalen Zwischenräume und bezieht den Betrachter offensiv mit ein. Sie nutzt den Moment der Deutungsoffenheit des Werkes um vielschichtige Zugänge zu eröffnern, während sie den Schwellenzustand des Betrachters vor dem Werk zu ihrem Gegenstand macht. In metaphorischem Sinne klingt dabei immer wieder die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, aber auch gestalterischen und künstlerischen Konventionen an, während durch Zugeständnisse an das Unkontrollierbare Brüche hervorgerufen werden. Sinnbildhaft findet dies seinen Niederschlag in ihren Arbeiten, die zeigen, dass nicht zwischen ästhetischer und ideeller Erfahrung unterschieden werden kann. Indem sie Antagonismen und Unübersetzbarkeiten vorführt, veranschaulicht sie den Status des „Dazwischen“, der so wichtig ist, da er durch die Auflösung bestehender die Herstellung neuer Zusammenhänge ermöglicht.

Carmen Gheorghe lebt in Frankfurt/Main und arbeitet in einem Studio von basis. 2007 hat sie ihr Studium an der Städelschule beendet. Sie zeigte ihre Arbeiten in verschiedenen Einzelausstellungen: 2007 bei Flamboyant Boy, Gallery Ritter & Staiff, Frankfurt/Main, 2006 bei Oeliger Belag dank hartnaeckiger Absichten, Gallery Meerrettisch, Berlin. Außerdem beteiligte sie sich mehrfach an Gruppenausstellungen: 2009 bei At Five to Ten by the Old Bridge, My Sweetheart, Gallery Neue Alte Bruecke, 2008 bei Glas can be broken by: Glas, Gallery Blast, Köln, 2007 bei Various Small Fires, the MA CCA at the Royal College of Art, London. 2009 erhielt sie ein Reisestipendium der Hessischen Kulturstiftung.