Sie sind hier

facebook
twitter

Early Works
Vito Acconci
19.11.2010 bis 13.01.2011

Eröffnung

Donnerstag, 18.11.2010 - 19:00 uhr

Öffnungszeiten

Dienstag - Freitag
11:00 - 19:00 Uhr

Samstag, Sonntag
12:00 - 18:00 Uhr

Ort

basis e.V. Gutleutstraße 8-12 60329 Frankfurt am Main

Wir freuen uns, vom 19. November 2010 bis 13. Januar 2011 frühe Film- und Videoarbeiten von Vito Acconci aus den Jahren 1970 bis 1974 präsentieren zu können.
In den Arbeiten wird das wegweisende Potential der künstlerischen Praxis von Acconci in Bezug auf den selbstreflexiven Einsatz des Mediums Film und Video sichtbar. Dabei wird die Thematisierung des eigenen Körpers als Ausgangspunkt einer Selbstsetzung des Individuums als im Kontext gesellschaftlicher Bezüge verankertes Subjekt offensichtlich.
Vito Acconci gehört mit seinen frühen Arbeiten zu den Pionieren eines innovativen Umgangs mit Film und Video, das nun nicht mehr als rein dokumentarisches Instrument zum Einsatz kommt, sondern in seiner Medialität selbst zum Thema seiner Arbeiten wird. Die Kamera wird zum Anderen, zum Gegenüber des vor der Kamera agierenden Künstlers und illustriert damit die Offenheit und Brüchigkeit der komplexen psychologischen, soziokulturellen und sexuellen Prägung des modernen Subjekts.
Über den Einsatz des eigenen Körpers als kennzeichnendes Merkmal seiner Arbeit hinaus verweist Acconcis Kunst auf die Befragung der Identität des Einzelnen ebenso wie sie Begriffe wie ‚Ich’, ‚Selbst’ und ‚Subjekt’ verhandelt. Das Verhältnis von ‚Künstler und Rezipient’, ‚Subjektivität und Objektivität’ sowie ‚Sprache und Körper’ oder ‚privat und öffentlich’ sind konstituierende Momente seiner frühen Kunst, die im Kontext spät-avantgardistischer Praxen der 1960er Jahre eine radikale Neubestimmung künstlerischer Themenkomplexe vornehmen.
Daher müssen Vito Acconcis frühe Video und Film-Projekte als innovative Zugänge verstanden werden, bewegte Bilder als reflexives Medium der Selbstbefragung zum Einsatz zu bringen und zugleich die Funktion der Kunst als kritisches Moment unserer Weltwahrnehmung radikal neu zu positionieren.

Neben anderen bedeutsamen KünstlerInnen der späten 1960er und 1970er Jahre, wie etwa Bruce Nauman, Joan Jonas oder Dan Graham, sind Vito Acconcis Arbeiten der frühen 1970er Jahre Modelle eines veränderten Umgangs mit dem Medium Video und Film in der Kunst. Eine rein dokumentarische Form der Aufzeichnung performativer Aktionen wird hier erstmals zugunsten des Einsatzes der Kamera als reflexivem Instrument der inhaltlichen Auseinandersetzung fruchtbar gemacht. Die Kamera erscheint als Gegenüber, nicht um das Künstler-Subjekt selbst in Szene zu setzen, sondern um kollektive Erfahrungen der modernen Subjektkonstitution in exemplarischer Weise als künstlerisches Thema aufzugreifen. Die Verwendung der Kamera als Stellvertreter des Betrachters eröffnet der Kunst im Übergang der 1960er zu den 1970er Jahren neue Möglichkeiten, die formalisierten Entwicklungen der spät-avantgardistischen Minimal und Conceptual art, die eine bewusste Negation des Künstler-Subjekts innerhalb des Werkes anstrebt, zu überwinden. Damit stellt Acconcis Werk den avantgardistischen Zugang zum Betrachter- und Künstler-Subjekt radikal in Frage, um damit der kritischen Perspektive einer künstlerischen Praxis nach 1970 bedeutsame Impulse zu verleihen.

Die Autonomie des Subjekts, welche die Grundlage unserer modernen, idealistisch geprägten Bestimmung des Individuums bildet, wird in den Arbeiten Acconcis in Frage gestellt, um die sozialen, psychologischen und kulturellen Einflüsse und Bedingtheiten der Ausformulierung eines vermeintlich autonomen, handlungsfreien Subjekts offensichtlich werden zu lassen. Wurde dieser basale Aspekt, der auch unmittelbare Folgen für die Wahrnehmung und die Bestimmung der Funktion von Kunst hat, in den spät-avantgardistischen Strömungen zumeist negiert, so verdeutlicht Acconcis künstlerischer Ansatz eine Neubestimmung, welche die Brüchigkeit und Instabilität des Subjekts der nachmodernen, globalisierten Welt zum Thema der Kunst selbst erhebt.
Der Einsatz des Körpers zielt dabei immer auf eine zweifache Auseinandersetzung des Künstlers. Zum einen agiert der der Kamera ausgesetzte Körper als Verweis auf die Komplexität und Brüchigkeit dominanter Subjektbilder, zum anderen wird der Körper, ähnlich wie bei Bruce Nauman, bei Acconci zum Material der künstlerischen Auseinandersetzung, wird zum vermeintlichen Objekt und ist dabei nicht selten radikalen Eingriffen ausgesetzt.
Im Vergleich zu Naumans Einsatz des Körpers verdeutlicht sich in Acconcis Arbeit allerdings ein entscheidender Unterschied, in dem der Körper nicht als funktionales Objekt betrachtet wird, sondern immer auch eine provokative Entäußerung erfährt, die eine labile Positionierung der psychologischen und physischen Dimension des Körperlichen sichtbar macht. Die Instabilität des Subjektstatus erscheint in Acconcis frühen Arbeiten radikal ausgestellt und an der eigenen Körperlichkeit exemplifiziert zu werden, um damit der aufkommenden Body art, die sich als anti-formalistischer Gegenpol zu minimalistischen und konzeptuellen Ansätzen der US-amerikanischen Kunst verstand, eine höchst eigenständige Spielart hinzuzufügen.
Der Einsatz des Körpers, der oft durch Selbstversuche und abjekte Handlungsmuster seiner individuellen Ganzheit entzogen vorgestellt wird, vermittelt in den hier präsentierten Arbeiten eine Ebene jenseits der Einheitsvorstellungen des modernen Subjektbildes. Nicht selten wird dabei der Körper in den Kontext ekelerregender Handlungen gestellt, um damit eine psychologisierende Wirkung zu erreichen. Der Körper wird in dieser Darstellungsweise von den autonomen Subjektvorstellungen der Moderne distanziert, um Spannungsverhältnisse zwischen der reinen Leiblichkeit und der Ausdifferenzierung eines psychologisch-sexuellen Kontextes des Individuums, die auf einer nicht-körperlichen Ebene vollzogen wird, zu thematisieren.

Durch die Infragestellung des Subjektstatus des Individuums werden in Acconcis Arbeiten immer auch Bezüge zu unterschiedlichen Machtverhältnissen angedeutet, die zwischen dem Künstler und Betrachter, Mann und Frau, Objekt und Subjekt oder einer sprachlichen und körperlichen Kommunikationsebene bestehen. Diese aufgezeigten Beziehungsmodelle generieren immer auch implizite Machtstrukturen, die in Acconcis Werk exemplarisch als innovativer Zugang zu neuen künstlerischen Themenfelder sichtbar werden. Offensichtlich wird dabei eine grundlegende Neubestimmung der künstlerischen Auseinandersetzung, die in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren über die formalistischen Momente der späten Avantgarde hinaus eine kritische Praxis etabliert. Dabei wird das komplexe Verhältnis von Rezeption und Aktion innerhalb der Kunsterfahrung selbst verdeutlicht sowie für eine Offenlegung der psychologischen und körperlichen Dimensionen der Selbstsetzung des Subjekts optiert.

Abbildung: Vito Acconci. Centers, 1971. Courtesy Electronic Arts Intermix (EAI), New York.

Mit freundlicher Unterstützung von: