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Biopolitik und künstlerische Produktion l
Thomas Lemke, Stephan Geene
Dienstag, 24.11.2009 - 19:00 uhr

Ort

basis e.V. Gutleutstraße 8-12 60329 Frankfurt am Main

Audiomitschnitte:
Thomas Lemke
Stephan Geene

basis Frankfurt veranstaltet eine dreiteilige Vortrags- und Gesprächsserie, in der die vielschichtigen Aspekte des Biopolitischen im Kontext der aktuellen künstlerischen Produktion behandelt werden. Ziel dabei ist nicht nur aufzuzeigen, was mit Biopolitik alles gemeint ist, sondern auch kritisch zu diskutieren, wo es als Beschreibung zu kurz greift oder wo der Begriff nur noch verdeckender Jargon ist.

Zum Auftakt der Serie werden Thomas Lemke und Stephan Geene ihre jeweilige Beschäftigung mit dem Komplex Biopolitik in einer dialogischen Präsentation vorstellen. Thomas Lemke wird Grundzüge des Begriffes Biopolitik erläutern und das Potential der biopolitischen Ansätze zur kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prozessen illustrieren. Im Anschluss daran stellt Stephan Geene seine künstlerischen und publizistischen Projekte vor und geht auf die Bedeutung und Funktion des Themenkomplexes Biopolitik für seine Arbeit ein.

Thomas Lemke, geb. 1963, Dr. phil, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Arbeitsgebiete und Forschungsschwer-punkte: Gesellschaftstheorie, soziologische Theorie, Biopolitik, politische Soziologie, Wissenschafts- und Techniksoziologie. Aktuelle Publikationen: Biopolitik zur Einführung, Hamburg: Junius Verlag 2007; Der medizinische Blick in die Zukunft. Gesellschaftliche Implikationen prädiktiver Gentests (zusammen mit Regine Kollek), Frankfurt am Main/New York: Campus 2008.

Stephan Geene, geb. 1961, ist Mitbegründer von b_books und lebt als Künstler und Autor in Berlin. In den letzten Jahren entstanden verschiedene theoretische und praktische Arbeiten zu Film, Kunst und Politik, darunter der Film ‚After Effect’ von 2007, neuere Publikationen über Claudia von Alemann, Bartleby und Beatriz Preciado.

Der aktuelle Film von Stephan Geene ‚After Effect’, 2007, wird von 19.11.2009 bis 29.11.2009 in den Ausstellungsräumen von basis präsentiert und bietet die Möglichkeit, Geenes Arbeit im Vorfeld der Veranstaltung kennen zu lernen.

Mit Biopolitik werden in den Sozialwissenschaften verschiedene Felder identifiziert, in denen gesellschaftliche Kontrolle sich direkt auf den Körper jedes einzelnen Menschen auswirkt und bestimmt. Der Mensch ist also nicht mehr nur als ein Individuum zu verstehen, das etwa durch abstrakte, unsichtbare Normen der Gesellschaft geschaffen wird, sondern das auch ganz direkt in seiner stofflichen Existenz (Wachstum, Alterung, Sexualität etc.) reguliert wird. Diese Regulierung reicht von der Aufklärung über Gesunde Ernährung, der Aufhebung des Versicherungsschutzes für Menschen, bei denen ein zu hohes Erkrankungsrisiko anhand ihres Erbgutes diagnostiziert wurde, bis zur medizinischen Attestierung von kriminellem Willen durch einen so genannten Gehirnscan. Oft wird eine Definition von Biopolitik verwendet, die auf Untersuchungen des französischen Ideengeschichtlers Michel Foucault aus den 1980er Jahren basiert. Allerdings geht die Geschichte des Begriffs bis ins 19. Jahrhundert zurück und auch einflussreiche zeitgenössische Philosophen wie Antonio Negri, Giorgio Agamben oder Judith Butler haben diesen in ihre Überlegungen integriert.

Die Gesellschaft aus biopolitischer Perspektive zu verstehen, ist zunehmend auch Gegenstand künstlerischen Positionen. Einige Künstlerinnen und Künstler beziehen sich ganz direkt auf das Foucault’sche Biopolitik-Verständnis in ihren eigenen Texten, bei anderen ist es eher als ein Bestandteil unter vielen im Werk auszumachen. Manchmal ist mit der künstlerischen Adressierung biopolitischer Themen nicht nur eine Kritik gemeint, sondern auch das Aufzeigen von Möglichkeiten des emanzipativen Umgangs mit biopolitischen Konstellationen. Die künstlerischen Positionen sind dabei notwendiger Weise selten deckungsgleich mit den sozialwissenschaftlichen Konzepten zur Biopolitik, zumal der Begriff alles andere als eine ungeteilte Zustimmung in der Wissenschaft findet.